Traditionell um die Weihnachtszeit herum trägt der SV Tübingen 1870 die Stadtmeisterschaft aus. Deren 59. Auflage gewann der Exil-Bönener Fabian Schlottmann, der damit im dritten Anlauf seinen Erfolg von 2018/19 wiederholen konnte.
Nominell favorisiert mit 150 DWZ-Punkten Vorsprung gelang ihm diesmal sogar der perfekte Lauf: 7/7! Auf den Plätzen landeten Vorjahressieger Martin Hartmann und FM Andreas Carstens. Schlottmann hatte dabei etwas Losglück, spielte kurioserweise gegen keinen von beiden und bekam nur in Runde 4 und 5 Gegner über 2000 DWZ zugelost.
Die wildeste Partie brachte Runde 4, in der Schlottmann ein vorentscheidender Sieg gelang. Folgend seine Analyse:
Fabian Schlottmann (2303) – Stefan Brodbeck (2105)
Pirc hatte ich erwartet und war bis hierhin zufrieden. Nach längerem Abwägen zog ich meine Dame nach d3 zurück. Weder mir noch meinem Gegner war bewusst, dass hier schon mehrfach Dd2 gespielt wurde, was auch der klare Stockfish-Favorit ist. Nach 13. Dd3 h6 dämmerte mir dann auch warum. 14. Sh4 Kg7 gewann immerhin eine Art Tempo und verhindert …g5 wegen Sf5! nachhaltig.
Mein Gefühl sagte mir hier, dass die schwarze Stellung verdächtig ist… Das Figurenopfer Lxh6 wäre wohl gut spielbar gewesen, ich kam aber nach langem Rechnen nur zu += bis „unklar“. Ich rechnete weiter an z.B. f4, Ta/fd1, Dd2, De2. Letztlich landete ich bei 15.Lxf7!?, was erzwingt: 15. … Kxf7 16. Dc4+ Te6 17. Sxg6. Wichtig ist, dass 16. … Kg7?? an 17. Lxh6 Kxh6 18. Df7! mit Matt scheitert. Schwarz sah diese Variante mit seinem 14. Zug nicht und rechnete nur 15.Lxh6, sodass 15.Lxf7 mir zumindest den psychologischen Effekt sicherte.
Die Maschine empfiehlt hier 17. … b6! Schwarz spielte aber das menschlichere und ebenfalls gute 17. … De8. Nach 18. f4. übersah Schwarz, dass nach 18. … Kg6 19. f5 die Rückkehr Kf7 den Turm wieder deckt. Also spielte er die wohl einzige Alternative 18. … xf4 19. Sxf4. Ironischerweise ist nun laut Engine wieder 19. … b6 der einzige Zug, der Ausgleich hält. In der Partie folgte das viel natürlichere 19. … Se5 und 20. Db3 Lb4 21. Tad1 (Ld4! +-) Kg7.
Bei Schwarz bahnte sich schon Zeitnot an, während ich mich recht sicher fühlte. Tatsächlich gibt es hier für die Engine jedoch nur einen Gewinnzug: 22. Sa2! Ich spielte 22. Sce2, wonach sich Schwarz beginnend mit Kh7 zumindest im Spiel hält. Mein Gegner erwiderte das auch nicht unlogische 22. … c5, was jedoch spektakulär auseinanderfliegt, z.B. 23. Sxe6+ Dxe6 24. Lxh6 Kxh6 25. Dxe6 Lxe6 26. Txf6+ oder sogar 23. Td8!! Dxd8 (De/f7 24. Txc8) 24. Sxe6 Lxe6 25. Dxe6 und 1-0 trotz schwarzer Mehrfigur. Stattdessen spielte ich das stillere 23. Lf2, um in gegnerischer Zeitnot neue Fragen am Königsflügel zu stellen. Es folgte 23. … c4 (Kh7!?) 24. Dg3 Sg6. 24. … Kh7 wäre ein letzter Versuch gewesen, aber nun ist es hoffnungslos: 25. Ld4 Ld6 26. Sxe6 Dxe6 27. Lxf6 Dxf6 28. Txd6 Dg5 29. Dc3+ Kh7 30. Tf7+ Kg8 31. Dh7# 1-0.